Alle Kinder und Jugendliche sollen ihren Platz im Leben finden. Das ist das große Ziel des Vereins Aufbruch. Gegründet wurde der Verein vor sieben Jahren. Seither werden jedes Jahr zahlreiche Projekte, Kindergärten, Schulen und andere Einrichtungen unterstützt, um Kinder und Jugendliche vor allem aus benachteiligten Familien in der Gemeinde zu fördern.
Initiiert wurde der Verein Aufbruch, der derzeit 150 Mitglieder und zwischen 50 und 70 ehrenamtliche Helfer hat, vom heutigen Vorsitzenden Erwin Aigeldinger und dessen Ehefrau Gisela. „Wir waren der Meinung, dass die Kinder und Jugendlichen die Verlierer unserer Gesellschaft sind“, erzählt Erwin Aigeldinger, was ihn vor acht Jahren dazu bewegte, auf Geschenke zu seinem 60. Geburtstag zu verzichten und statt dessen den finanziellen Grundstock für die ein paar Monate später beginnende Vereinsarbeit zu legen.
Deutliche Spuren hatten damals beim Ehepaar Aigeldinger auch der Amoklauf in Winnenden, bei dem ein Jugendlicher im März 2009 insgesamt 15 Menschen und schließlich sich selbst erschoss, hinterlassen. Eine große Rolle für die Vereinsgründung hatte auch der Mordfall Ivan S. gespielt. Der 19-jährige Gymnasiast aus Rommelshausen war im Jahr 2007 offenbar von einem 16-jährigen Mädchen aus dem Haus gelockt und auf einer Wiese von zwei jungen Männern auf äußerst brutale Weise mit einem Baseballschläger niedergeschlagen und zu Tode getreten worden. Später haben die Täter die zerstückelte Leiche des Jungen in Blumenkübel einbetoniert und bei Plochingen im Neckar versenkt. Das angebliche Motiv der Bluttat: Eifersucht. „Für uns spielte bei der Idee für den Verein die allgemeine Situation der Jugendlichen eine Rolle und nicht etwa irgendwelche Besonderheiten in Remshalden“, sagt Gisela Aigeldinger.
Auf der vereinseigenen Homepage steht zu lesen: „Viele Umstände im aktuellen Gesellschaftssystem können dazu führen, dass Kindern und Jugendlichen die Orientierung im Leben fehlt, oder Schwierigkeiten im sozialen Miteinander auftreten“.
Bereits im Vorfeld der Gründung des Vereins Aufbruch haben die beiden gemerkt, dass sie bei vielen Menschen in Remshalden mit ihren Ideen und Überlegungen „offene Türen einrennen“, wie das Ehepaar sagt. Als der Verein schließlich im Jahr 2011 ins Leben gerufen wurde, zählte er fast 100 Gründungsmitglieder.
Erwin Aigeldinger brachte seine Geburtstagsgeschenke ein und stockte den Betrag noch einmal großzügig auf, wie der frühere Bürgermeister Stefan Breiter im Januar beim Neujahrsempfang der Gemeinde Remshalden betonte. Während dieser Veranstaltung bekam Erwin Aigeldinger für sein ehrenamtliches Engagement die Bürgermedaille der Gemeinde Remshalden verliehen.
In den vergangenen sieben Jahren hat der Verein Aufbruch mehr als 140 000 Euro gesammelt und auch wieder ausgegeben, finanziert von Spendern und großzügigen Sponsoren. Derzeit sind ungefähr 30 Lern- und Lesepaten in sämtlichen Schulen in Grunbach und Geradstetten aktiv und ohne das Engagement des Vereins Aufbruch würde es die Schulsozialarbeit nicht im heutigen Umfang geben. Waren Schulsozialarbeiter früher nur an der Real- und Hauptschule aktiv, so schafften es Erwin Aigeldinger und seine Mitstreiter, auch die Grundschulen der Gemeinde mit ins Boot zu holen.
„Wir denken nicht, dass die Probleme erst im Jugendalter beginnen“, sagt Gisela Aigeldinger. Deshalb sei es wichtig, früher aktiv zu werden, nicht erst bei den Jugendlichen. Ein Problem, das dabei auftaucht: Es ist enorm schwierig, an die Familien von jüngeren Kindern heranzukommen, da in diesem Alter alles freiwillig ist. Das ändert sich laut Gisela Aigeldinger erst, wenn Kinder in die Schule kommen.
Bislang flossen allein aus Mitteln des Vereins 52 000 Euro in die Schulsozialarbeit, bis zum Jahr 2020 sollen weitere 30 000 Euro dazu kommen. „Wir sind unseren Spendern und Sponsoren unendlich dankbar“, freuen sich Erwin und Gisela Aigeldinger über die finanziellen Möglichkeiten des Vereins.
Darüber hinaus finanziert der Verein Aufbruch viele weitere kleinere Projekte an den Remshaldener Schulen und Kindergärten. Allein im vergangenen Jahr flossen 4500 Euro dorthin. Ein Dauerbrenner der finanzierten Sozialprojekte ist die Aktion „Fair kämpfen“ für Jungs, die der Verein seit fünf Jahren für verschiedene Kindergärten organisiert. Jedes Jahr werden zwei Kurse angeboten. Spielerisch lernen die Kinder dabei, auch bei Konflikten und Streitigkeiten gewisse Grenzen einzuhalten. „Das ist wichtig, wenn die Kinder in die Schule kommen“, weiß Gisela Aigeldinger. Leider gebe es auch Kindergärten, die sagten, dass sie keinen Bedarf an solchen Kursen hätten.
Die Liste der Projekte, die der Verein Aufbruch finanziert oder bezuschusst, ist lang, etwa die Vorlesepaten oder Schwimmkurse an den Schulen. Beim Projekt „Klasse 2000“ geht es um die Gesundheitserziehung und Ernährung von Kindern und Jugendlichen. Vereinsmitglieder gehen regelmäßig auf die Schulen und Kindergärten zu und fragen, welche sozialen Projekte sie gerne durchführen möchten und wo sie finanzielle Unterstützung benötigen.
Darüber hinaus arbeitet der Verein Aufbruch eng mit dem Jugendhaus Spektrum zusammen und unterstützt einzelne Projekte, etwa einen Trommelworkshop oder Kletterkurse für Mädchen.
Eines der nachhaltigsten Projekte, das der Verein Aufbruch zusammen mit der Gemeinde Remshalden auf den Weg gebracht hat, ist die Sozialraumanalyse, die in den kommenden Jahren nach und nach umgesetzt werden soll – wenigstens ein Teil der Ergebnisse. Vor zwei Jahren wurden Kinder und Jugendliche in der Gemeinde nach ihren Wünschen gefragt und das Kreisjugendamt analysierte die aktuelle Situation. Von den 15 000 Euro, die die Sozialraumanalyse gekostet hat, übernahm der Verein Aufbruch 5000 Euro.
„Jetzt sind wir daran, die Ergebnisse umzusetzen“, sagt Erwin Aigeldinger. Einer der größten Wünsche der Jugendlichen ist, dass die Halfpipe beim Rathaus in Geradstetten umgestaltet wird. Die Jugendlichen wünschen sich dort vor allem einen Grillplatz und einen Unterstand, damit sie sich auch bei schlechtem Wetter dort treffen können. „Mit Jugendlichen aus mehreren Vereinen beispielsweise vom CVJM Grunbach, der Freiwilligen Feuerwehr und Schülern der Realschule und des Gymnasiums sowie Vertretern der Gemeindeverwaltung arbeiten wir derzeit an der Neugestaltung der Halfpipe“, sagt Erwin Aigeldinger.
Nach seinem ehrgeizigsten Zukunftsprojekt gefragt braucht Erwin Aigeldinger nicht lange zu überlegen. „Wir würen in Remshalden gerne eine Kinder- oder Familienkarte einführen“, sagt er. Jedes Kind solle unabhängig vom Elternhaus die Möglichkeit haben, ein Instrument zu lernen, ins Freibad zu gehen oder im Verein Handball und Fußball zu spielen. Das alles dürfe nicht daran scheitern, ob es das Elternhaus bezahlen könne oder nicht. „Ich möchte einfach, dass jedes Kind eine Chance hat“, betont Erwin Aigeldinger.